Samstag, 19. Februar 2011

Physalis

Heilige Bastet!

Es ist gerade einmal eine Woche her, dass Ihr Staatsoberhaupt zurückgetreten ist, und schon geht bei Madame Miaulement im fernen Abendland alles drunter und drüber.

Nicht, dass in Ihrem Land alles so bleiben sollte, wie es war. Madame ist tief beeindruckt von der geglückten Revolution Ihrer Landsleute. Trotzdem ist bei Madame Miaulement zeitgleich das Chaos ausgebrochen. In ihrem Apartment sieht es aus, als ob dort eine Bombe eingeschlagen ist. Auf dem Boden türmen sich Berge von Kleidung und Papier, der Mülleimer quillt über und das schmutzige Geschirr stalpelt sich seit Tagen im Spülbecken. Sie wissen ja, dass Madame Miaulement oft  alles auf sich bezieht.

Und dann noch die Liebe. Oder das, was von ihr übrig geblieben ist. Nämlich nichts. Rien ne va plus. Seit jenem historischen Tag in Ägypten ist auch ihre Amour Fou Geschichte. Wie innen, so außen - heißt es im Feng Shui.

Daher also das Chaos? Doch Madame Miaulement wäre nicht Madame Miaulement, wenn sie nicht das Licht am Ende des Tunnels erkennen könnte. Nach so vielen düsteren Stunden mit Monsieur Fou gehört endlich wieder Sonne in ihr Leben.

Alors. Madame behält ihre Contenance und arbeite sich von außen nach innen vor. Endlich die Wohnung renovieren, endlich die Küche streichen. In Gelb, Sommersonnengelb, Johanniskrautgelb. Diese Farbe ist das beste Anti-Depressivum mitten im Winter.

So zieht sie die Tür hinter dem Chaos und ihr zu und stiefelt in Richtung Baumarkt. Dort angekommen umkreist Madame mehrmals die potenziellen Objekte meiner Begierde. Sie streunt umher, entfernt sich wieder von allen Farbeimern. Sie verweilt hinter anderen Regalen. Sieht sich Leuchten im altbackenen Urgroßmutterstil an. Bewundert minutenlang einen Toilettendeckel, der sämtliche Strandkörner der Ostsee, Nordsee und der Cote D'Azur  in einem Plexiglas konserviert zu  haben scheint. Samt Seesternen und Muscheln versteht sich.

Dann kehrt sie  zu den Farbeimern zurück. Dort lässt sich Madame von dem Gelb mit dem schönsten Namen erobern. Physalis liest sie. Sie denkt an quietscheentchengelbes Johanniskraut und an das Land, wo die Zitronenbäume blühen. 

Am Abend ist sie so euphorisiert, dass sie erst einen kleinen Klecks auf die kahle Küchenwand malt. Doch peu à peu wird aus dem kleinen Klecks ein großer und schließlich breitet sich eine riesige Wolke Physalis auf der Küchenwand aus. Vor dem weißen Hintergrund sieht die gelbe Farbwolke wie ein großer Eidotter aus. Das wird noch heller, denkt Madame Miaulement optimistisch. Morgen früh, wenn alles getrocknet ist. Johanniskraut scheint auch ohne orale Einnahme zu wirken. Es reicht, einfach nur die Farbe auf sich wirken zu lassen. Arme Pharmaindustrie, sagt Madame leise zu sich selbst.

Am anderen Morgen aber ist das Gelb noch dottergelber geworden. Da fällt es Madame endlich wie Schuppen von Augen und Haaren. Physalis ist keine sonnengelbe Blume, sondern eine Frucht, eine Beere. Sie ist dunkelgelb, fast orange und wird auch Kapstachelbeere genannt.

C'est bon, flüstert Madame Miaulement. Manchmal führen die Wege eben woanders hin. Und das ist oft auch gut so.

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